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CeBIT / Meine Meinung
d!bakel

Die neue CeBIT war ein Drahtseil-Akt. Im nächsten Jahr wird der Absturz folgen. Denn dann findet die Messe mitten in den Sommerferien statt. 

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„Der frische Wind der neuen CEBIT sorgt für eine digitale Aufbruchstimmung, die in jedem Detail spürbar war", kommentierte CeBIT-Chef Oliver Frese die erste Sommer-Cebit der Geschichte. Erstmals in ihrer Geschichte fand die IT-Messe im Juni (12. bis 15.) statt. Und, so Frese weiter: „Die neue CEBIT ist das Forum für die Diskussion um die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft."

Wenn die CeBIT ihre Tore schließt, übt sich das CeBIT-Management seit vielen Jahren in Schönfärberei. Dann werden sinkende Besucherzahlen als „voller Erfolg“ verbucht oder großzügig aufgerundet. In diesem Jahr musste es keinen Vergleich mit den Vorjahren bemühen. Denn dafür gab es aufgrund des Radikal-Umbaus keine Basis.

Neues Konzept, neuer Termin, neue Sortierung. Das CeBIT-Management ließ kaum einen Stein auf dem anderen, um die Messe zu einem „Festival“ zu machen. Bis ins Stadtzentrum wurde das Geschehen auf dem Messegelände live übertragen. Auf den Monitoren dort waren etwa die Bands, die schon tagsüber auf dem Freigelände spielten, zu sehen. Oder das Riesenrad, auf dem der SAP-Vertrieb mit Messegästen seine Runden drehte. Oder der Cloud-Lifter, mit dem IBM Messegäste zumindest in die Nähe des oft bedeckten Wolkenhimmels hob.

„Wir stellen in diesem Jahr nicht mehr aus. Wir gehen auf Messen, um dort Geschäfte zu machen.“

Nice to have. Aber: „Wir stellen in diesem Jahr nicht auf der CeBIT aus, weil wir noch zur Old Economy zählen“, begründete der Geschäftsführer eines früheren Stammgastes die Abwesenheit seines Unternehmens in diesem Jahr. „Wir gehen auf Messen, um dort Geschäfte zu machen. Dafür aber sehen wir auf der neuen CeBIT keine hinreichenden Möglichkeiten.“ Viele dachten genauso: Im Vergleich zu 2017 sank die Zahl der Aussteller um rund ein Drittel, die Zahl der Besucher ebenfalls. Offiziell zählte die Messe 120.000 Besucher an den fünf Messetagen.

Sie erlebten ein wirres Potpourri verschiedener Messeformate. Erst vor wenigen Jahren hatte Frese die CeBIT zum Zentrum der d!conomy ausgerufen. Die Wortschöpfung sollte die Bedeutung der Digitalisierung für die Wirtschaft auf den Punkt bringen. In diesem Jahr aber wurde das Leitmotiv durch d!talk, d!tec, d!campus und d!lounge nicht nur begrifflich bis zur Unkenntlichkeit verwässert. Die Messe wollte alles in einem sein, verlor den Fokus dabei allerdings aus den Augen. In den Messehallen, die einst durch eine effiziente thematische Ordnung glänzten, rumpelten sich Stände zusammen, die nicht zusammen passten. So manchem Messegast schwante, dass das eigentliche Leitmotiv ein anderes war: d!bakel.

Digitalisierung ist kein Festival, sondern harte Arbeit

Um Missverständnisse zu vermeiden: Wer das Thema Digitalisierung erfolgreich mit Wirtschaft und Gesellschaft verweben will, braucht neue Ansätze in der Vermittlung.

Aber Digitalisierung ist nicht nur ein technisches Phänomen, das sich von selbst erklärt, wenn Drohnen in ballettartiger Formation durch die Lüfte kreisen oder eine App dabei hilft, den letzten freien Parkplatz im Stadtzentrum zu finden. Digitalisierung erschöpft sich langfristig auch nicht in Festivals und Feierlichkeiten, vor allem wenn irgendeiner die Zeche am Ende bezahlen muss.

Digitalisierung ist vor allem harte Arbeit, wenn es darum geht, digitale Techniken mit unternehmensspezifischen Prozessen flexibel, rechtssicher und gewinnbringend zu verzahnen. Zudem fordert sie von vielen Anbietern den kulturellen Wandel. Partnerschaften statt Hierarchien sind hier gefragt. Und kundenspezifische Dienstleistungen statt Service-Deckel, die auf jeden Topf passen. Digitalisierung ist ein „People-Business“, das von Kommunikation und Vertrauen zwischen Menschen lebt.  

Im Konzert der überregionalen Investitionsgütermessen spielt die CeBIT keine Rolle mehr

Mag sein, dass die CeBIT-Verantwortlichen diesen Anspruch verfolgten, als sie die neue CeBIT aus der Taufe hoben. Mag auch sein, dass gestandene Konzerne wie SAP, Deutsche Telekom oder IBM die Messe dringend brauchen, um sich in den Blickwinkel qualifizierter Nachwuchskräfte zu rücken. Allerdings laufen sie Gefahr, das komplexe Thema „Digitalisierung“ auf Kirmesniveau herunter zu feiern.

Dem Drahtseil-Akt der Premiere wird aber wohl schon im nächsten Jahr der Absturz folgen. Denn 2019 findet die Messe noch einmal zwei Wochen später, vom 24. bis 28. Juni statt. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich halb Deutschland bereits in den Sommerferien – oder bereitet sich gerade intensiv darauf vor.

Gut möglich, dass die CeBIT bald im sommerlichen Kulturprogramm der Stadt Hannover erscheint. Im Konzert der ernst zu nehmenden, überregionalen Investitionsgütermessen für Digitalisierungsfragen spielt sie ab sofort keine Rolle mehr.

Es grüßt Sie herzlich

Frank Grünberg

Chefredakteur SERVICE.REPORT.IT

 

Veröffentlicht am 20.06.2018