Das Berliner Softwarehaus Optimal Systems muss bei der Einführung seiner neuen Produktlinie enaio redline einen schweren Rückschlag verkraften. Das Kernproblem des Unternehmen tritt damit deutlich zu Tage: die eklatanten Schwächen im Partnervertrieb.
Beim ersten Lesen vermittelte die Personalmeldung den Eindruck einer Beförderung. Olaf Holst übernehme die Funktion des Chief Technology Evangelist in der Unternehmensgruppe, meldete Optimal Systems Ende April. Als „kommunikativer und versierter Technologie-Experte“ werde er in dieser neugeschaffenen Funktion als „Übersetzer zwischen den verschiedenen Weltsichten bzw. Anwenderperspektiven“ wirken und „als inhaltlicher Unterstützer die Entscheidungsprozesse auf Kundenseite“ unterstützen.
Beim zweiten Lesen warf die Meldung viele Fragezeichen auf. Hatte Holst nicht erst vor rund eineinhalb Jahren die Leitung einer neu gegründeten Abteilung übernommen? Warum wechselt er nun schon wieder den Job? Und existiert dieser Geschäftsbereich überhaupt noch?
Warum wechselt Holst schon wieder den Job?
Holst ist seit über 15 Jahren für Optimal Systems tätig, einem der führenden Anbieter von digitale Dokumenten Management Systeme (DMS). Viele Jahre leitete er den Vertrieb. 2016 übernahm er den neu gegründeten Geschäftsbereich „International Business Development“, dessen vornehmliche Aufgabe es war, international tätige IT-Dienstleister als Vertriebs- und Implementierungs-Partner für die neue Produktlinie enaio redline zu gewinnen.
Redline wurde im Sommer 2017 offiziell vorgestellt – als zweite Produktlinie des Unternehmens neben blueline. Die Software soll, so das Versprechen, die Verwaltung und Bearbeitung von Dokumenten auf eine neue Ebene hieven, indem sie einen Werkzeugkasten liefert, mit dem sich DMS-Lösungen kundenspezifisch und sehr schlank zuschneiden lassen. Optimal Systems bezeichnet redline als “Content Services Framework”. Experten zeigen sich angetan von der Idee und von der technischen Umsetzung. „Die Basis-Funktionalität lässt sich schnell in einem halben Tag implementieren“, sagt ein Unternehmenskenner.
Es ist nicht das erste Mal, dass Optimal Systems mit neuen Projekten krachend scheitert
Probleme aber bereitet offenbar der Vertrieb. Eigentlich wollte Optimal Systems mit redline große Unternehmen in den Regionen Skandinavien, BeNeLux und Großbritannien als Kunden gewinnen. Mittler dafür sollten international tätige Systemintegratoren sein. Offenbar aber reichte deren Interesse und Engagement nicht aus.
Unseren Informationen zufolge gibt es die Abteilung „International Business Development“ daher nicht mehr. Und für den verdienten Mitarbeiter wurde ein neuer Jobtitel ohne Umsatzverantwortung geschaffen. Optimal Systems äußerte sich zu den Vorgängen auch auf mehrfache Nachfrage nicht.
Es ist nicht das erste Mal, dass Optimal Systems mit neuen Projekten krachend scheitert. Erst vor wenigen Jahren versuchte das Unternehmen, seinen Vertrieb zu internationalisieren. Der Partner mit dem es kooperierte, hielt aber letztlich nicht das, was er versprochen hatte.
Wenig später folgte die Produktlinie Shape2Share, eine DMS-Lösung, die auf der Microsoft-Plattform Sharepoint aufsetzte und offiziell auf der CeBIT präsentiert wurde. Doch auch in diesem Fall hielt der Wunsch der Wirklichkeit nicht stand. Shape2Sahre verschwand von der Bildfläche so schnell wie es dort erschienen war. Nun also redline. Optimal Systems will, so erfahren wir aus zuverlässiger Quelle, die Produktlinien nun ausschließlich an größere Kunden in Deutschland vermarkten. Allerdings nicht wie blueline vornehmlich über den eigenen Direktvertrieb, sondern ausschließlich über Partner.
Damit sind die vertrieblichen Herausforderungen allerdings keineswegs gelöst. Im Gegenteil: Damit fangen sie erst an.
Die Zusammenarbeit mit Optimal System ist kein einfaches Geschäft
Die Zusammenarbeit mit Optimal System ist, das erzählen verschiedene Partner, kein einfaches Geschäft. Man benötige viel Insider-Knowhow, um Probleme auf kurzem Wege zu klären, erzählen langjährige Vertriebspartner. Andere berichten davon, dass sich der Direktvertrieb in der Vergangenheit nicht einmal davor gescheut habe, die Bestandskunden von Vertriebspartnern abzuwerben.
Fakt ist: Die Zahl der Vertriebspartner in Deutschland für blueline ist mit rund 30 vergleichsweise sehr übersichtlich. Zudem ist die Unternehmensgruppe mit ihren rund 15 Niederlassungen und Einzelgesellschaften, bei denen jeder Geschäftsführer wie ein Regional-Fürst agiert, ein schwer zu führendes Gebilde. Gleichwohl will Optimal Systems redline auf dieser Basis erfolgreich in den deutschen Markt bringen. Die Herausforderung fasst ein Partner wie folgt zusammen. „Beim Partnervertrieb steht sich optimal Systems oft selbst im Wege.“
„Wir warten lieber erst einmal ab, wie sich die Geschichte entwickelt.“
Hinzu kommt: Für redline müssen Partner ins Investment gehen, etwa um Mitarbeiter zu schulen und den Markt aufzubereiten. „Wir warten daher lieber erst einmal ab, wie sich die Geschichte entwickelt“, sagt ein Partner.
Die direkte Nachfrage bei Optimal Systems bringt diesbezüglich allerdings keine neuen Erkenntnisse. Welche Dienstleister man für den Vertrieb von redline bis heute gewonnen habe? Und wie viele Unternehmen die Software bereits nutzten? wollen wir wissen. Keine Antwort.
Es scheint, also ob es zur neuen Produktlinie ein Jahr nach ihrer offiziellen Vorstellung nicht viel Positives zu berichten gäbe.
Veröffentlicht am 20.06.2018