Die Bundeskanzlerin sucht nach neuen Ideen für den digitalen Wandel. Dabei wäre das Einlösen alter Versprechen der wichtigste Schritt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen Digitalrat ins Leben gerufen. Dort sollen zehn unabhängige Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zusammenarbeiten, um „viele neue Ideen“ zu liefern, „die wir als Regierung in die Tat umsetzen können", so Merkel.
Man darf gespannt sein, wie und wann der Arbeitskreis Wirkung zeigt. Eine gute Idee aber lässt sich an dieser Stelle benennen: Die Bundesregierung löst all die Versprechen ein, die sie bereits gegeben hat: Breitbandausbau, telemedizinische Infrastruktur oder digitale Verwaltung, um nur einige Baustellen zu nennen, bei denen sie die Schaufeln in den eigenen Händen hält. Wie oft es gerade die Behörden sind, die den digitalen Wandel ausbremsen, zeigen die aktuellen Pläne der Bundesnetzagentur. Die Bundesbehörde scheint nach wie vor nicht gewillt, die Mobilfunk-Löcher in Deutschland restlos zu schließen.
Eine erfolgreiche Digitalisierung baut auf wenige Komponenten: 1. eine leistungsfähige Infrastruktur, 2. eine verständliche Kommunikation zwischen den Beteiligten sowie 3. die Entwicklung nutzwertiger Anwendungen. Der Digitalrat soll sich vor allem um Ebene 3 kümmern. Dabei hinkt die Bundesregierung den Notwendigkeiten schon auf Ebene 1 meilenweit hinterher.
Die Beteiligten reden beim Thema Digitalisierung sehr schnell aneinander vorbei
Auch in Ebene 2 hakt es an vielen Ecken und Enden. Sobald es nicht mehr um Whatsapp oder Facebook geht, sprechen die Beteiligten beim Thema Digitalisierung sehr schnell aneinander vorbei. Das gilt vor allem im Business-Umfeld. Der Grund: Die Anbieterseite traktiert ihre Kundschaft mit Worthülsen wie „Cloud“, „Künstliche Intelligenz“ oder „Social Media“, obwohl der normale Nutzer mit diesen Begriffen nicht viel anfangen kann. Nachhaltiges Interesse wird so nicht geweckt. Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht, sagt ein altdeutsches Sprichwort. Im Zeitalter der Bits und Bytes hat es nichts an Bedeutung verloren.
Auch die klassischen Mittler-Organisationen haben es bislang nicht geschafft, breite, kommunikative Brücken zwischen Digitalisierungs-Dienstleistern auf der einen und Anwendern auf der anderen Seite zu schlagen. Damit sind nicht nur die Messegesellschaften gemeint. Auch auf lokaler Ebene fehlt es Verbänden und Kammern meist an Mitteln, Knowhow und Konzepten, um ihre Mitglieder für das Thema zu begeistern.
Lieber Bier statt Digitalisierung
Der Obermeister einer nordrhein-westfälischen Kreishandwerkerschaft brachte das Problem jüngst wie folgt auf den Punkt. „Viele Handwerksbetriebe investieren im Zweifel immer noch lieber in einen Kasten Bier als in das Thema Digitalisierung.“
Es wäre wünschenswert, wenn der Digitalrat auch bei dieser Herausforderung neue Impulse setzen würde. Im Zuge der digitalen Wende darf der Werbespruch „Bitte ein Bit“ nicht länger ein Monopol der Getränkeindustrie bleiben.
Frank Grünberg
Chefredakteur SERVICE.REPORT.IT
Veröffentlicht am 30.08.2018