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Microsoft / Partner-Strategie
Abgehängt

Im Cloud-Geschäft hinkt Microsoft der Konkurrenz meilenweit hinterher. Als Anbieter von zukunftsweisenden Betriebssystemen läuft das Softwarehaus daher Gefahr, schon bald keine Rolle mehr zu spielen. Ohne eigenen Direktvertrieb wird sich daran wohl auch nichts mehr ändern.

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Künstliche Intelligenz, kurz KI: Nun hat auch Microsoft diesen Mega-Trend als Zugpferd für sich entdeckt. „Die Erwartungen der Gesellschaft in die KI sind riesig“, sagte Deutschland-Chefin Sabine Bendieck am 23. Oktober 2018 auf der Partnerkonferenz in Leipzig. „KI wird künftig überall gefragt sein.“

KI ist ein weiter Begriff. In der einfachen Variante umfasst er Techniken zur Mustererkennung, um Bilder zu sortieren oder E-Mails auf Sinnzusammenhänge zu durchsuchen. Die mittlere Variante steht für selbstlernende Systeme, die Probleme von Fall zu Fall besser lösen und wie das menschliche Gehirn auf neuronalen Netzen basieren. In der höchsten Ausbaustufe kennt am Ende sogar der Mensch die Algorithmen nicht mehr, die ein Computer im Laufe der Zeit entwickelt und mit deren Hilfe er Entscheidungen von großer Tragweite trifft. Beispielsweise töten Kriegsroboter dann Menschen, ohne dazu einen ausdrücklichen Befehl erhalten zu haben. Ohne globales Regelwerk könnte es also gefährlich werden.

Künstliche Intelligenz: Ein Scheitern kann sich Microsoft nicht mehr leisten

In Bezug auf KI hat Microsoft zunächst einmal aber ein ganz anderes Mega-Problem. Sollte das Softwarehaus auch diesen Trend verschlafen, spielt es als Anbieter von zukunftsweisenden Betriebssystemen womöglich schon bald keine Rolle mehr. Das Fundament, auf das Microsoft seine Erfolgsgeschichte seit den 1980er Jahren baute, wäre dann irreparabel beschädigt.

KI basiert im Wesentlichen auf zwei Komponenten: dem Sammeln und der Analyse großer Datenmengen. Dafür braucht es Betriebssysteme, die einerseits die Datensammler (Sensoren, Smartphones etc.) und andererseits die zentralen Rechenzentren in der Cloud steuern. Bei den Datensammlern hat Microsoft das Rennen gegen Apple und Google bereits verloren. Windows für mobile Endgeräte wurde vor einiger Zeit vom Markt genommen. In der Cloud zeichnet sich nun die nächste Niederlage ab. Mit Azure hinkt Microsoft der Konkurrenz meilenweit hinterher.

Azure: Der Rückstand auf Amazon Web Service wächst

Der Vergleich mit dem Konkurrenzprodukt Amazon Web Services (AWS) zeigt die Misere. Zwar konnte Microsoft die Azure-Umsätze in den letzten zwei Jahren stets fast verdoppeln und damit Marktanteile hinzugewinnen – allerdings auf niedrigem Niveau. In absoluten Zahlen gemessen aber hinkt das Softwarehaus Amazon vor weit hinterher. Und der Rückstand wächst. In den Geschäftsjahren 2015 / 2016 lag Microsoft noch 6,2 Milliarden US-Dollar hinter Amazon, zwei Jahre später waren es schon 11,1 Milliarden US-Dollar (-> Tabelle).

Und es gibt weitere Unterschiede. Während Amazon AWS längst als eigenen Geschäftsbereich in seinen Berichten ausweist, vermengt Microsoft seine Azure-Umsätze bilanziell nach wie vor mit den klassischen Windows-Betriebssystemen. Wer ein wenig Dreisatz-Rechnung beherrscht, kann die Azure-Umsätze zwar ermitteln. Wie ein Zukunftsthema, das man stolz präsentiert, aber wirkt Azure vor diesem Hintergrund nicht.

Deutschland: Eine Tragödie in mehreren Akten

In Deutschland lässt sich das Trauerspiel um Azure auf offener Bühne verfolgen.

Erster Akt: Während Amazon hier bereits 2014 sein erstes Rechenzentrum eröffnete, ist das bei Microsoft erst 2019 der Fall. Damit ist das Softwarehaus fünf Jahre im Verzug – eine Ewigkeit im digitalen Zeitalter.

Zweiter Akt: Seine Cloud-Anwendungen – vor allem Office 365 – hat Microsoft zu lange wie klassische Lizenz-Produkte vermarktet. Die Folge: Viele Kunden wissen die Vorteile der neuen Lösung etwa für die Kommunikation und die Zusammenarbeit innerhalb von Projektteams gar nicht zu schätzen und nutzen sie daher auch nicht. Die Marke Microsoft hat dadurch an Zugkraft verloren.

Dritter Akt: Gegenüber den Partnern erhöht Microsoft den Druck, Cloud-Lösungen auf Azure-Basis zu verkaufen, ohne dafür attraktive Anreize zu bieten. Die Investitionen in das Cloud-Geschäft seien hoch, die Margen im Azure-Vertrieb dagegen niedrig, klagt ein Partner. „Microsoft nimmt ausgerechnet denen die Luft, die für den Erfolg der Zukunft unabdingbar sind.“ 90 Prozent seiner Umsätze macht Microsoft weltweit und in Deutschland über Partner.

Ein Weiter-So-Wie-Bisher kann es aus Sicht von Microsoft sicher nicht geben

Wie viele der 32.500 Partner in Deutschland aktuell Cloud-Produkte vertreiben? Anders als noch vor zwei Jahren wollen die Verantwortlichen diese Zahlen heute nicht mehr nennen.

Der Schlussakt des Dramas ist noch nicht geschrieben. Nur ein Weiter-So-Wie-Bisher kann es aus Sicht von Microsoft sicher nicht geben. Sonst stürmt die Konkurrenz endgültig auf und davon.
Einige Partner nimmt Microsoft bereits eng an die Kandarre. 350 von ihnen zählen in Deutschland zu den gemanagten Partnern. Ihnen stellt Microsoft einen persönlichen Ansprechpartner zur Seite. Dadurch erhält das Softwarehaus Einblick in viele Ressourcen: Investitionen, personelle Ausstattung, Qualifizierung der Mitarbeiter.

Auf mittlere Sicht aber führt für Microsoft wohl kein Weg an einem direkten Kundenkontakt und einem unmittelbaren Marktzugang vorbei. Wer den Verkauf individueller und hochkomplexer KI-Anwendungen ganz oben auf der strategischen Agenda platziert, kann sich den oft mühseligen Umweg über Dritte auf Dauer nicht leisten.

Surface: Bei der Hardware geht Microsoft inzwischen eigene  Wege

Bei der Hardware hat Microsoft bereits gezeigt, dass das Unternehmen bei Bedarf die Heilige Kuh des Partner-Vertriebs ohne Skrupel zur Schlachtbank führt, wenn diese nicht mehr genügend Milch abwirft. Mit Surface hat Microsoft heute ein eigenes, mobiles Endgerät im Portfolio, dass es zusammen mit seinen Cloud-Lösungen direkt vermarktet.
Microsoft hat die digitale Revolution viele Jahre lang angeführt. Nun läuft das Unternehmen Gefahr, von den eigenen Kindern gefressen zu werden.

Tabelle

Vergleich Umsatzentwicklung (Mrd. $) Microsoft Azure / Amazon Web Services (AWS) 
Geschäftsjahr 1 Microsoft Azure AWS Differenz
2017 / 2018 6,310 17,459 -11,1
2016 / 2017 3,306 12,219 -8,9
2015 / 2016 1,661 7,880 -6,2
Quelle: Microsoft, Amazon; 1 = Geschäftsjahre: Microsoft bis 30.6., Amazon bis 31.12.

Veröffentlicht am 28.10.2018