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Fujitsu Deutschland / Strategie
Pfeifen im Walde

Mit dem Augsburger Werk schließt der japanische Fujitsu-Konzern seine letzte Fertigungsstätte in Europa. Die deutsche Landesgesellschaft soll sich künftig auf das Service-Geschäft konzentrieren. Das Problem: Die Umsätze in diesem Geschäftsfeld stagnieren seit Jahren. Und bessere Perspektiven als in der Vergangenheit zeigen sich nicht.

IP-Telefonanlagen

Rupert Lehner ist ein Urgestein bei Fujitsu. Er kommt aus Bayern, wo Fujitsu in Deutschland seine Zentrale hat. Er war schon in der Firma, als diese noch Siemens hieß. Und er hat bislang alle Fusionen und Verkäufe überlebt. Vor allem aber spielte er stets bereitwillig den Feuerwehrmann, wenn bei Fujitsu Deutschland die Hütte brannte. Das war 2015 der Fall, als Jürgen Walter plötzlich vom Chefsessel der deutschen Landesgesellschaft türmte. Und das war im August 2018 der Fall, als Walters Nachfolger Rolf Werner Gleiches tat. Lehner ist seitdem nicht nur Chef des Produktgeschäftes sowie der Cloud-Services in Europa und Indien, sondern auch Vorsitzender der Geschäftsführung der Fujitsu Technology Solutions GmbH.

Lehner soll dafür sorgen, dass Fujitsu nicht alles um die Ohren fliegt

Anders als vor drei Jahren wurde er dieses Mal nicht nur kommissarisch ernannt. Der Grund: Die japanische Firmenzentrale hat Dynamit an die Fundamente der deutschen Landesgesellschaft gelegt. Da braucht es einen erfahrenen Landsmann, der dafür sorgt, dass der Firma mit der Explosion nicht auch die Peripherie um die Ohren fliegt.

Fujitsu kündigte Ende Oktober 2018 an, die Aktivitäten in den Bereichen Produktentwicklung, Fertigung und Logistik in Deutschland auslaufen zu lassen und den Standort Augsburg bis spätestens September 2020 vollständig zu schließen. Die Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretungen stehen noch aus. Dass rund 1.800 Mitarbeiter ihren Job verlieren, gilt aber als sicher.

Augsburg: Ein letztes Argument für deutsche Bodenständgkeit

Mit dem Augsburger Werk geht nicht nur der letzte Standort in Europa verloren, an dem Fujitsu noch Computer-Hardware produziert, sondern auch ein starkes Alleinstellungsmerkmal im deutschen Markt. „Weil wir die PCs in Augsburg zusammenbauen, können wir unseren Kunden in Deutschland auch spezielle Services anbieten“, erklärte Lehner noch vor einigen Jahren. „Wir können Ihnen beispielsweise PCs anbieten, die nach ihren Bedürfnissen individuell konfiguriert sind.“ Die gleiche Argumentation galt für Server, die ebenfalls in der Schwaben-Metropole gefertigt werden.

Auch die Marke profitierte von Augsburg. Während „Fujitsu“ für viele Deutsche weder sprachlich noch regional zu verorten ist, vermittelte der Verweis auf Augsburg viele Jahre zumindest den Anschein von deutscher Bodenständigkeit. Im Wettbewerb mit Super-Brands wie HP oder Dell war das bei deutschen Kunden ein schlagkräftiges Argument. Das aber zieht ab 2020 nicht mehr. Anders gesagt: In spätestens zwei Jahren ist Deutschland seinen Sonder-Status innerhalb des Fujitsu-Konzerns quitt.

Ohne Hardware-Produktion schrumpfen die Umsätze um 40 Prozent

Wie groß dieser produktionsbedingte Sonder-Status war, lässt sich an den Bilanzen der Fujitsu Technology Solutions GmbH ablesen. Im Geschäftsjahr 2017 (bis 31. März) erwirtschaftete die Firma rund 2,6 Milliarden Euro. Knapp eine Milliarde Euro davon entfiel nach unseren Schätzungen auf Hardware, die in Deutschland produziert und ins Ausland exportiert wurde. Mit dem Aus für Augsburg büßt die deutsche Landesgesellschaft demnach rund 40 Prozent ihrer Erlöse ein. Damit wird sie im Vergleich zu anderen europäischen Filialen auf Normalmaß zusammengestutzt.

Damit nicht genug. Fujitsu muss sich in Deutschland künftig mehr auf das Service-Geschäft konzentrieren. Eine Forderung, die schon lange zur Erledigung auf der konzerninternen To-do-Liste steht, die aber innerhalb des Managements bis heute offenbar keine angemessene Beachtung fand. Die häufigen Wechsel an der Unternehmensspitze waren ein Grund dafür, die tiefe Verwurzelung im Hardware-Geschäft sicherlich ein anderer.

Service-Partner: Neues Programm für mehr Flächenabdeckung

„Wir planen, unsere Dienstleistungskompetenzen in Central Europe auszubauen, um Schlüsselbranchen wie den öffentlichen Sektor, den Mittelstand, die Automobil- und die Fertigungsindustrie noch gezielter zu adressieren“, teilt Lehner nun mit. „Um die digitale Transformation unserer Kunden mit branchenspezifischen Produkten, Lösungen und Services zu unterstützen, baut Fujitsu seine Position als Systemintegrator weiter aus.“ Die starke Präsenz in Deutschland und eine Vielzahl eigener Rechenzentren soll dabei helfen.

In PR-geschulten Ohren klingen solche Floskeln wie das Pfeifen im Walde. Tatsächlich kämpft Fujitsu im Service-Bereich mit zwei wesentlichen Problemen. Erstens: Im Direktvertrieb stagnieren die Service-Umsätze in Deutschland seit Jahren. Zuletzt schwankten sie stets um die 360 Millionen Euro pro Jahr. Warum sie künftig steigen sollen, bleibt schleierhaft.

Zweitens macht Fujitsu rund 80 Prozent seiner Umsätze über Partner. Die aber sind in der Mehrzahl vor allem als Boxenschieber, weniger aber als System-Integratoren und Anbieter von komplexen Dienstleistungen bekannt.

Parallel zur Ankündigung des Aus für Augsburg schraubte Fujitsu daher wieder einmal an seinem Partner-Programm. Die wichtigste Neuheit: Channel-Partner, die den Partnerstatus SELECT Expert erhalten wollen – in dieser Kategorie sind alle jene Partner zusammengefasst, die Kunden mit Beratung, technischer Implementierung und weiterführenden Services zur Seite stehen können - müssen künftig eine bestimmte Anzahl an zertifizierten Mitarbeitern nachweisen statt wie bisher pauschal eine bestimmte Anzahl an Zertifizierungspunkten. Ziel dieser Änderung ist es, viele qualifizierte Fujitsu-Experten bei den Partnern zu installieren statt wenige hochqualifizierte. Anders als das Hardware-Geschäft ist das Service-Geschäft wenig skalierbar. Fujitsu braucht daher dringend Menschen, die seine Dienstleistungen in der Fläche vermarkten.

Lehner, Dreher & Co. treten Mission Impossible an

„Die Anforderungen der Endkunden verändern sich im Rahmen der Digitalisierung stetig“, erklärt Channel-Chef Louis Dreher. Es würden nicht mehr nur reine Technologiekäufe getätigt, vielmehr rückten pay-as-you-use- und as-a-Service-Modelle in den Fokus. „Vor diesem Hintergrund sehen wir es auch als unsere Aufgabe an, unser SELECT Partnerprogramm kontinuierlich anzupassen, um unsere Channel-Partner dabei zu unterstützen, den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden.“

Wie viele Partner auf diesen Zug aufspringen werden, steht aktuell in den Sternen. Schließlich hat Fujitsu bei den Services nicht nur ein kleines, sondern ein riesiges Marken-Problem. Denn hier sind die Japaner in Deutschland quasi unbekannt und stehen mit A-Brands wie Microsoft, Amazon oder IBM im Wettbewerb.

Lehner, Dreyer & Co treten eine Mission Impossible an. Man darf gespannt sein, mit welchen Mitteln sie ihre schier aussichtlose Aufholjagd starten.

Veröffentlicht am 05.11.2018