Reden sie noch miteinander? Oder schon aneinander vorbei? SERVICE.REPORT.IT sprach mit Marco Lenck, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), über die Streitpunkte, Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse, die die Kommunikation im SAP-Umfeld aktuell prägen.
SERVICE.REPORT.IT: Herr Lenck, Sie haben in Ihrer Rede auf dem DSAG-Jahreskongress in Leipzig zahlreiche Forderungen an die SAP gerichtet. Nach Ihnen sprach SAP-Vorstand Bernd Leukert zum Publikum. Seine Botschaft: Alles kein Problem. Wir machen das. Er hat Ihnen damit ganz schön den Wind aus den Segeln genommen.
Lenck: Das sehe ich nicht so. Er sagte ja nicht, dass alle Forderungen schon erfüllt seien. Er sagte, nur dass SAP diese Dinge anpacken wolle. Und zwischen Ankündigung und Umsetzung liegen bekanntlich Monate, wenn nicht sogar Jahre. Das Gute an Bernd Leukerts Aussage ist, dass die SAP unsere Forderungen verstanden hat und daran arbeiten will. Das Schlechte daran ist, dass die progressiven SAP-Kunden weiter warten müssen. Wir bleiben daher an diesen Themen dran.
SERVICE.REPORT.IT: Ist die SAP bei der Umsetzung ihrer Ankündigungen schnell genug?
Lenck: Das eine Drittel der Unternehmen, die sich laut unserer jüngsten Umfrage als weit oder sehr weit bei der digitalen Transformation einschätzen, wird diese Frage sicherlich verneinen. Die restlichen zwei Drittel sehen das wahrscheinlich nicht so kritisch.
SERVICE.REPORT.IT: Im Vergleich zu früher scheinen die Debatten um die SAP-Strategie komplizierter und für SAP-Anwender undurchsichtiger geworden zu sein. SAP propagiert die Cloud und ihre Datenbank-Technologie HANA, gleichzeitig tritt das Unternehmen oft wie ein Business-Consultant gegenüber seinen Kunden auf. Und in beiden Bereichen formuliert das Softwarehaus einen absoluten Führungsanspruch.
Lenck: Die Digitalisierung bringt mehr Technologien ins Spiel, als das früher der Fall war. Das kommt der SAP sicherlich zu Gute, weil die SAP immer ein Technologielieferant mit einem großen Verständnis für das Geschäft seiner Kunden war. Ein ausgewiesener Spezialist für das Business seiner Kunden aber ist das Unternehmen bis heute nicht.
Wo ich Ihnen recht gebe: Die Diskussion werden nicht einfacher. Denn je verteilter die Geschäftsprozesse ablaufen und je heterogener die Datenwelten sind, desto mehr brauchen unsere Mitglieder Lösungen, die alle Prozesse und Daten zusammenführen. Um ein Beispiel zu nennen: Die an für sich einfache Frage, wie man ein Identitäts-Management über alle Prozesse hinweg organisiert, ist bei der Vielzahl an beteiligten Systemen heute nicht mehr einfach zu beantworten. Die Anforderungen an die Technologien und deren Lieferanten werden daher größer.
SERVICE.REPORT.IT: Ist der Führungsanspruch, den die SAP für sich reklamiert, überhaupt sinnvoll und durchsetzbar?
Lenck: Die SAP wird auch in Zukunft versierte Partner brauchen, die das Geschäft der Kunden in der Tiefe verstehen und die die letzte Meile zum Kunden beherrschen, um dort branchen- und kundenspezifische Prozesse aufzusetzen. Das kann die SAP in den meisten Fällen bis heute nicht.
SERVICE.REPORT.IT: Trotz dieser klaren Worte: Bei der Diskussion um den richtigen Weg drängt sich der Eindruck auf, dass SAP und DSAG aneinander vorbeireden – und sich damit zufrieden geben. Ein Beispiel. Sie fordern die SAP auf, eine plattformübergreifende Vernetzung von Prozessen zu unterstützen. Darauf antwortet SAP-Vorstand Leukert: Wir unterstützen verschiedene Plattformen wie Amazon, Microsoft und für alle die, die nach China drängen, sogar die von Alibaba. Diese Antwort zielt bei genauer Betrachtung haarscharf an Ihrer Forderung vorbei, weil Sie von vernetzten Prozessen, Leukert aber nur von den Plattformen spricht. Dennoch haken Sie nicht nach.
Lenck: Wir führen diese Diskussion nicht auf der Bühne. Tatsächlich war das keine Antwort, mit der sich die DSAG zufrieden gibt. Die reine Plattform-Diskussion auf der untersten Ebene reicht uns nicht. Dabei unternimmt die SAP schon viel mehr, als Bernd Leukert in Leipzig angekündigt hat. Die SAP zeigt, etwa mit der kürzlich gestarteten Open Data Initiative, an einigen Stellen bereits, dass sie offene Konzepte fördert.
SERVICE.REPORT.IT: Meinungsverschiedenheiten gibt es auch in Lizenz-Fragen, weniger mit der SAP, mehr dagegen mit dem Konkurrenzverband VOICE. Während VOICE die Lizenzpolitik der SAP bezüglich der indirekten Nutzung für rechtswidrig erklärt, feiert die DSAG die Zusammenarbeit und die Tatsache, dass sie das neue Lizenzmodell gemeinsam mit der SAP aus der Taufe gehoben haben. Dieser Widerspruch ist für Außenstehende nicht aufzulösen. Und Sie haben ihn in Ihrer Keynote mit keinem Wort erwähnt. Warum?
Lenck: Ich habe mich zu dieser Frage nicht geäußert, weil ich nicht weiß, auf welcher Grundlage das Rechtsgutachten fußt, auf das sich VOICE beruft. Für uns gilt erstens: Das Modell, das wir mit der SAP verhandelt haben, ist optional. Deshalb kann es nicht rechtswidrig sein. Zweitens haben wir als DSAG gesagt, dass das Ende der Fahnenstange bei diesem Thema noch nicht erreicht ist. SAP hat uns zugesichert, dass der Abgleich von Stammdaten frei ist. Andere Details sind aber noch offen.
SERVICE.REPORT.IT: Welche Fragen sind noch offen?
Lenck: Insbesondere die Fragen, die VOICE aufgegriffen hat. Müssen SAP-Kunden beispielsweise schon dafür Gebühren zahlen, dass ein SAP-System und ein Nicht-SAP-System Belegdaten austauschen? Wir sagen nicht, dass unser Modell für alle Szenarien eine hinreichende Lösung bietet. Aber man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wenn VOICE glaubt, das Problem durch eine Klage zu lösen, wir dagegen mehr auf Gespräche setzen, dann ist das so. Vielleicht sind beide Wege hilfreich.
SERVICE.REPORT.IT: Diskrepanzen gibt es auch, was die Audits betrifft. VOICE fordert, dass die Audits keine in die Vergangenheit reichende Wirkung haben dürften. Das hätten einige Anwender bezüglich der indirekten Nutzung bereits erlebt. Erleben DSAG-Mitglieder das nicht?
Lenck: Ich kenne keinen Fall, in dem sich die SAP so verhalten und die indirekte Nutzung nachlizenziert hat.
SERVICE.REPORT.IT: Sorgen äußersten Sie auf dem DSAG-Jahreskongress auch bezüglich der Cloud-Strategie der SAP. Hier fordern Sie vertikale Lizenzmodelle. Was meinen Sie damit?
Lenck: Es darf nicht sein, dass SAP-Kunden, die von der OnPremise-Welt in die Cloud wechseln, künftig dreifach bezahlen. Erst für den Kauf der Lizenz, dann für Pflege und Wartung und schließlich für die Nutzung der Cloud-Applikation. SAP muss hier durchgängige Modelle entwickeln.
SERVICE.REPORT.IT: Sie haben angekündigt, dass die DSAG künftig auch die Lösungen anderer Softwarenanbieter mitdiskutieren wird. Wird es Zeit für den Verein, auf Distanz zur SAP zu gehen?
Lenck: Die Anbindung von Drittsystemen an SAP-Systeme findet immer häufiger statt. Wir müssen diese Thematik daher auch in die DSAG und ihre Gremienarbeit holen. Wir werden auch in Zukunft nicht darüber sprechen, wie man Microsoft mit einer Salesforce zusammenbringt. Aber wir werden Vertreter von Microsoft, Google und Amazon einladen, um uns zu erklären, welche Vorteile die Nutzung ihrer Plattformen für die SAP-Anwendungen bringen.
SERVICE.REPORT.IT: Herr Lenck, wir danken für das Gespräch.
Veröffentlicht am 12.11.2018