Für die Digitalisierung Deutschlands ist der 27. November 2018 ein historischer Tag. Seit heute müssen die obersten Bundesbehörden in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten. Die Bundesregierung aber ignoriert den Anlass. Aus gutem Grund.
Am 27. November 2018 wird der Richtlinie 2014/55/EU vom 16. April 2014 („E-Rechnungsgesetz“) und damit der digitalen Vergabepraxis von öffentlichen Aufträgen in Deutschland erstmals spürbare Geltung verschafft. Der Grund: Die obersten Bundesbehörden müssen seit heute in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten. Das Ende der papierbasierten Bürokratie wird damit offiziell eingeläutet.
Alle anderen öffentlichen Auftraggeber des Bundes folgen ein Jahr später am 27. November 2019. Die öffentlichen Auftraggeber in Ländern und Kommunen sind vom E-Rechnungs-Gesetz ebenfalls betroffen. Bei ihnen läuft die Frist zur Umsetzung der Richtlinie am 18. April 2020 aus.
Jahr für Jahr wird die XRechnung wichitger
Wenige Monate später wird das E-Rechnungs-Gesetz auch für die Lieferanten aus der freien Wirtschaft akut. Wer ab 27. November 2020 Aufträge im Wert von mehr als 1.000 Euro mit den Behörden des Bundes abrechnen will, muss seine Rechnungen elektronisch einreichen. Nicht als E-Mail mit pdf im Anhang, sondern als Rechnung im streng strukturierten „XRechnungs“-Format.
Die XRechnung ist die deutsche Fassung eines Datenformats, das den Vorgaben des Europäischen Komitees für Normung (CEN) für elektronische Rechnungen folgt. Die Norm schreibt vor, welche Kernelemente enthalten sein müssen und wie sie strukturiert und logisch abgebildet werden. Für die öffentlichen Auftraggeber des Bundes in Deutschland ist die XRechnung bindend.
Wie steht es um die flächendeckende Einführung des neuen Rechnungsformats?
Ein bedeutender Tag für die Digitalisierung Deutschlands im Allgemeinen und die Digital-Strategie der Bundesregierung im Besonderen, könnte man meinen. Doch weit gefehlt. Kein Festakt, nicht einmal eine winzige Pressemitteilung wird vom Kanzleramt oder einem Ministerium zur Würdigung dieses Tages verschickt. Vielmehr herrscht Grabesruhe schon während der Geburt. Es gibt keine offizielle Mitteilung darüber, wie es um die flächendeckende Einführung der XRechnung tatsächlich steht.
Dabei hatte vor allem das Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Einführung der XRechnung mit sehr viel Zusatzbedeutung aufgepumpt. Zu Jahresbeginn, am 11. Januar 2018, hatte das Ministerium sogar rund 200 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung zu einer Veranstaltung geladen, auf der unter dem Motto „E-Rechnung leicht gemacht – Vollgas voraus mit ZUGFeRD 2.0 und XRechnung“ alle Fragen rund um die elektronische Rechnungsstellung diskutiert wurden.
In der freien Wirtschaft könnten bereits etablierte Datenaustauschstandards wie ZUGFeRD gleichberechtigt neben der XRechnung verwendet werden, hieß es damals. „Wenn sie – wie ZUGFeRD 2.0 – den Anforderungen der europäischen Norm entsprechen.“
ZUGFeRD: Mit Vollgas - gegen die Wand
Seitdem sind mehr als zehn Monate vergangen. ZUGFeRD 2.0, das wie die XRechnung den CEN-Vorgaben entsprechen soll, aber gibt es immer noch nicht.
ZUGFeRD steht für „Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland“ und kürzelt ein hybrides Datenformat, das von Mensch und Maschine gleichermaßen gelesen werden. Insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen soll es die Anwendung der elektronischen Rechnung erleichtern.
ZUGFeRD wurde 2013 auf Initiative des BMWi, des Bundesministeriums des Inneren (BMI) und des Branchenverbandes BITKOM entwickelt und unter der Regie des Arbeitskreises „Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD)“ fortgeführt. Die Version ZUGFeRD 1.0 ging damals an den Start. Die offizielle Vorstellung für ZUGFeRD 2.0 wurde zuletzt für November 2018 angekündigt. Das aber wird nicht gelingen. „Die finale Fassung der Spezifikation wird voraussichtlich Mitte Dezember 2018 zur Verfügung stehen“, heißt es aktuell auf der FeRD-Webseite.
Bei den Themen Breitbandausbau oder Telemedizin zeigt die Bundesregierung seit Jahren, dass sie ihre Digital-Versprechen terminlich nicht hält. Mit der XRechnung und ZUGFeRD 2.0 stellt sie ihr Unvermögen nun auch bei kleineren Baustellen unter Beweis.
Erst im August 2018 veröffentlichte das BMWi eine Studie, die feststellte, dass zwei Drittel der deutschen Unternehmen sich kaum oder gar nicht um das Thema Digitalisierung kümmern. Einen wesentlichen Grund für dieses Desinteresse hat die Regierung heute stillschweigend hinterhergeliefert.
Veröffentlicht am 27.11.2018