Das britische Softwarehaus Sage hat bei Umsatz und Gewinn auch im Geschäftsjahr 2018 neue Rekorde geschrieben. Der rasante Vertrauensverlust der Investoren wurde dadurch zwar gestoppt. Die Wachstumsstrategie des Unternehmens aber steht mehr denn je in Frage.
Der Umsatz der Sage Group plc. stieg im Geschäftsjahr 2018 (bis 30. September) um 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 1,846 Milliarden britische Pfund. Das operative Ergebnis wuchs sogar um 22,7 Prozent auf 427 Millionen britische Pfund. Die Umsatzrendite lag damit bei 23,1 Prozent und näherte sich damit dem Wert von 2015 an. Damals hatte sie 25,1 Prozent betragen.
Sage drohte zum Übernahmekandidaten zu werden
Der neue Konzernchef Steve Hare hat damit vorläufig die Kurve gekriegt. Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse stabilisierte sich der Aktienkurs. Seit Jahresbeginn hatte er mehr als ein Viertel an Wert verloren. Der freie Fall ist vorläufig gestoppt. Der dramatische Wertverlust drohte Sage, das einzige britische Softwarehaus mit Weltgeltung, zum Übernahmekandidaten zu machen. Hares Vorgänger Steve Kelly nahm daher im August seinen Hut.
Kelly war 2014 als CEO mit dem Versprechen angetreten, Sage zu einer weltweit erfolgreichen Cloud-Company machen. Damit stellte er die Unternehmenskultur auf den Kopf. Seit den 1980er Jahren hatte sich Sage vor allem durch die Übernahme kleinerer, regionaler Softwarehäuser in Europa zum marktführenden Anbieter von ERP-Systemen für kleine und mittlere Unternehmen gemausert. Kellys Strategie aber zielte vor allem auf die USA und Zukäufe in nie gekannter Dimension.
Cloud-Strategie: Zukäufe in nie gekannter Dimension
Ein Beispiel: 2014, also vor der Ära Kelly, kaufte Sage für 16,3 Millionen Euro die Exact Software Deutschland, einen Anbieter von Lohn- und Buchhaltungssoftware. Der Kaufpreis lag damit rund 1,6mal höher als der Jahresumsatz. Ein typischer Sage-Deal. Drei Jahre später aber blätterte Kelly rund 850 Millionen US-Dollar für den US-Cloud-Spezialisten Intacct auf den Tisch, was dem 8,5 fachen des Jahresumsatzes entsprach.
Auch andere Softwareanbieter wie SAP, Microsoft oder Oracle haben in der Vergangenheit Zuschläge in dieser Größenordnung gezahlt, um Cloud-Anbieter zu übernehmen. Allerdings spielen sie, was den Umsatz betrifft, auch in einer ganz anderen Liga. Was die Großen der Branche quasi aus der Portokasse bezahlen, macht bei Sage schnell den halben Jahresumsatz aus.
Kellys Zukäufe prägten schnell die Bilanz
Tatsächlich prägten Kellys Zukäufe schnell die Bilanz. Die Umsätze, die Sage mit Cloud-Abonnements erwirtschaftete, verdreifachten sich während seiner Amtszeit. Gleichzeitig aber verdoppelten sich auch die Schulden. War seine Strategie auf Dauer wirklich gesund? Oder zockte er auf die Zukunft?
Die Investoren versuchte Kelly, mit ambitionierten Versprechen in punkto Steigerung von Gewinn und Aktienkurs bei der Stange zu halten. Diese Versprechen aber konnte er zuletzt nicht mehr halten. Das Vertrauen in seine Durchsetzungsstärke schwand. Deshalb musste er gehen.
Große Invests wird es unter Hare wohl nicht mehr geben
Die Cloud-Strategie des Unternehmens steht daher nun auf der Kippe. Denn Hare, unter Kelly noch Finanzchef des Unternehmens, muss sich vor allem darum kümmern, die Versprechen an die Realitäten anzupassen und das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Große Invests, wie Kelly sie tätigte, wird es unter Hare daher wohl auf absehbare Zeit nicht mehr geben.
Was das für die Kunden bedeutet, muss sich zeigen. Reichen die Gewinne, um die Aktionäre zu befrieden und gleichzeitig die „Sage Business Cloud“ in notwendigem Tempo weiterzuentwickeln? Kelly hatte die neue Dachmarke erst im April 2018 als „Cloud-Plattform für alle Unternehmensbelange“ aus der Taufe gehoben. Dieses Versprechen aber kann nur Wirklichkeit werden, wenn Sage den Wust an Lösungen, den es unter dieser Dachmarke zusammenführt, so aufbereitet und integriert, dass für die Kunden ein echter Mehrwert zu erkennen ist.
Sage steht ein spannendes Geschäftsjahr 2019 ins Haus. Damit der Aktienkurs wieder steigt und Ruhe im Hause Sage einkehrt, muss das Softwarehaus weiter Rekorde schreiben. Wie das aber unter den neuen Vorzeichen gelingen kann, steht in den Sternen.
Veröffentlicht am 06.12.2018