Leere Staatskassen machen Politiker erfinderisch. In Italien ist der elektronische Versand von Rechnungen daher seit Jahresbeginn Pflicht. Sollte die Maßnahme Erfolg zeigen, dürften andere Länder bald nachziehen – auch Deutschland.
Italien rutschte 2018 in die Rezession. Im zweiten Halbjahr sank die Wirtschaftsleistung um mehr als 0,1 Prozent. Damit wird die Staatsverschuldung wohl weiter steigen. Schon jetzt liegt sie beim 1,3 fachen der jährlichen Wirtschaftsleistung.
Ausgerechnet die schlechte Finanzlage könnte Italien zu einem Motor der Digitalisierung für ganz Europa machen. Seit Jahresbeginn ist der elektronische Versand von Rechnungen über das Austauschsystem „Sistema di Interscambio“ (Sdl) südlich der Alpen Pflicht. Gleichzeitig werden damit wichtige Standards für den Austausch von digitalen Daten gesetzt.
Umsatzsteuerbetrug den Kampf ansagen
In klammen Staaten sind Plattform wie SdI schon lange Pflicht. Das gilt für einige Länder in Südamerika und auch für Spanien, wo der spanische Fiskus Unternehmen im Juli 2017 dazu verpflichtet hat, bestimmte umsatzsteuerrelevante Angaben zu Aus- und Eingangsrechnungen zeitnah an das Finanzamt zu übermitteln.
Der italienische Staat ist zum 1. Januar 2019 noch einen Schritt weiter gegangen. Er schließt die Papierform nun grundsätzlich aus. Rechnungen müssen flächendeckend und ausschließlich elektronisch ausgestellt und über SdI verschickt werden. Die Zielsetzung: dem Umsatzsteuerbetrug über eine Meldung auf Einzelumsatz- bzw. Einzelrechnungsebene den Kampf ansagen. Das ist nur über die digitale und automatisierte Vermittlung der Rechnungen in einem strukturierten Datenformat möglich.
Rechnungen müssen mit einer elektronischen Signatur versehen werden
Die Neuregelung sieht u.a. vor:
* Alle Rechnungen im B2B- und B2C-Bereich müssen elektronisch über das offizielle Austauschsystem Sdl versandt werden.
* Rechnungen, die nicht über die zentrale Plattform verschickt werden, gelten zukünftig als nicht gestellt und werden mit einer Strafe geahndet.
* Betroffen von der Neuregelung sind alle inländischen Unternehmen sowie alle in Italien registrierten Zulieferer und Dienstleister, die eine italienische Steuernummer haben.
* Als Format ist „FatturaPA xml“ als italienische Variante der europäischen CEN-Norm vorgegeben
* Die Rechnungen müssen mit einer elektronischen Signatur versehen werden
Für Unternehmen gibt es prinzipiell drei verschiedene Optionen, Rechnungen an SdI im geforderten Format zu schicken: Die Eingabe über eine Web-Oberfläche, die direkte Anbindung des eigenen ERP-Systems an SdI oder die Beauftragung eines Dienstleisters, der Rechnungen mit beliebigen Eingangsformaten in FatturaPA xml übersetzt und anschließend an SdI eiterleitet.
Den Effekt, den sich die italienischen Behörden von der Maßnahme erwarten ist, riesig. Ursprünglich war beispielsweise geplant, dass die SdI-Verpflichtung für Rechnungen über die Lieferung von Mineralölprodukten sowie von Sub-Zulieferern öffentlicher Auftraggeber bereits seit dem 1. Juli 2018 gelten sollte. Die Einführung aber verzögerte sich, was nach Schätzungen von Experten einen Ausfall von rund zwei Milliarden Euro bei der Umsatzsteuer für den italienischen Staat bedeutete. Sollte die italienische Maßnahme nun tatsächlich messbare Erfolge zeigen, dürften andere Länder bald mit eigenen Austauschplattformen nachziehen.
Profit: Eine bessere Triebfeder kann es für digitale Prozesse nicht geben
Der Digitalisierung in Europa könnte das einen massiven Schob verleihen. Zwar hat die EU 2014 das E-Rechnungsgesetz auf den Weg gebracht. Es sieht u.a. vor, dass bis 2020 alle Rechnungen an Bund, Länder und Kommunen elektronisch eingereicht werden müssen. Seit November 2018 gilt das bereits für bestimmte Bundesbehörden. Sie akzeptieren nur noch Rechnungen im X-Rechnungsformat.
Andere Initiativen wie ZUGFeRD (Allgemeiner Datenformat-Standard für die Rechnungsstellung) oder PEPPOL (Standardisierung des öffentliche Ausschreibungs- und Beschaffungsverfahrens) dümpeln nach Auffassung von Marktbeobachtern aber seit vielen Jahren vor sich hin. Ein wesentlicher Grund: Der Druck zur praktischen Umsetzung fehlt, weil die finanziellen Vorteile für die Beteiligten nicht klar erkennbar sind.
Das ist bei der italienischen Regelung anders. Der Staat erwartet durch die Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung enorme Mehreinnahmen. Einen besseren Treiber kann es für die ernsthafte und beschleunigte Umsetzung von Digitalisierungs-Projekte nicht geben.
Veröffentlicht am 14.02.2019