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Künstliche Intelligenz / Meine Meinung
Lassen Sie sich nicht für dumm verkaufen!

Umfragen zur „Künstlichen Intelligenz“ fehlt es zunehmend an Sinn und Verstand. Dabei gilt gerade bei diesem Thema: Nur wer sich um intellektuelle Schärfe bemüht, wird der Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft gerecht.

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Jüngst verschickte der Digitalverband Bitkom diese Meldung. „Viele Berufstätige trauen Künstlicher Intelligenz zu, ihren Arbeitsalltag zu verbessern“, hieß es dort. „Drei von zehn würden sogar den eigenen Chef gerne komplett durch eine KI ersetzen.“ Dies sei das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 515 Erwerbstätigen. „Wer hofft, seinen Chef auf diesem Weg loszuwerden, wird sich noch etwas gedulden müssen“, kommentierte Präsident Achim Berg den Befund.

Kein Erkenntnisgewinn ohne offene Fragestellung

Wir leben in einem freien Land, in dem jeder Mensch sich zu jedem Thema äußern darf. Im Zweifel genügt ein Klick, und die Nachricht verschwindet wieder aus der eigenen Welt. Diese Meldung aber kam vom Bitkom, also dem Sprachrohr der deutschen Digitalindustrie. Und genau dort hatte ich bezüglich einer anderen Meldung zum Thema KI erst vor drei Monaten nachgehakt. Ob der Bitkom sich bei seinen Umfragen auch danach erkundige, was die Befragten eigentlich unter dem Begriff Künstliche Intelligenz verstehen, wollte ich damals wissen. Nein, antwortete der zuständige Bitkom-Sprecher. „Die Frage haben wir nicht gestellt. In telefonischen Umfragen ist es sehr schwierig, offene Fragen zu stellen.“

Zur Erinnerung: Geschlossene Fragen sind Fragen, die man mit „ja“ oder „nein“ beantworten kann. Offene Fragen hingegen starten mit „Wie“, „Warum“ oder „Wo“. Hier erhält der Befragte mehr individuelle Freiräume für seine Antwort.

Ohne offene Fragen funktioniert Erkenntnisgewinn in der Regel nicht. Stellen Sie sich vor, ein Marktforschungsinstitut ruft einen Landwirt an und befragt ihn nur mit geschlossen Fragen. Mögen Sie rote Kraftfahrzeuge? Ja oder nein? Mögen Sie schnelle Kraftfahrzeuge? Ja oder nein? Mögen Sie geräumige Kraftfahrzeuge? Ja oder nein? Das Marktforschungsinstitut veröffentlicht anschließend folgendes Ergebnis: 30 Prozent der Befragten favorisieren beim Kraftfahrzeugkauf rote Mittelklassewagen. Der Landwirt wundert sich: Er hatte bei „Kraftfahrzeug“ eigentlich an einen Traktor gedacht. Aber er hatte keine einzige Gelegenheit, dies kundzutun. Diese so wichtige Information hatte das Marktforschungsinstitut durch seine offene Fragerei einfach ausgeblendet.

Künstliche Intelligenz: Es wird vereinfacht und veröffentlicht

Genauso verhält es sich aktuell mit den angeblichen Bitkom-Neuigkeiten zum Thema Künstliche Intelligenz. Es wird vereinfacht und veröffentlicht. Dabei wäre es gerade bei diesem Thema so wichtig, zu differenzieren – etwa nach Anwendungsbereich und nach Zielsetzung. Denn Künstliche Intelligenz betitelt immer nur ein Werkzeug, nie aber die Lösung an sich. Der gleiche Hammer eignet sich nicht für alle Zwecke. Um einen Nagel in die Wand zu schlagen, dafür genügt ein Schlosserhammer. Ein Vorschlaghammer dagegen wäre dafür viel zu unhandlich.

Wie können wir Künstliche Intelligenz differenzieren? Gute KI ist eine Methode, die auf zwei Dinge baut. Erstens auf einen Algorithmus, der komplexe Fallunterscheidungen abbilden kann. Wenn ich Zustand A vorfinde, dann gehe ich Weg C. Wenn ich Zustand B vorfinde, dann gehe ich Weg D. Solche Verästelungen werden schon nach wenigen Malen äußerst komplex. Dennoch trainiert der Mensch sein Gehirn darauf, die damit verbundenen Aufgaben zu lösen. Deshalb bezeichnen wir auch die entsprechenden Techniken als „intelligent“.

Schachgenie - aber zu dumm, ein Glas Wasser zu holen

Tatsächlich gibt es heute Maschinen, die viel besser Schach oder Go spielen, als es der Mensch jemals könnte. Diese Maschinen aber können nach dem Spiel nicht vom Tisch aufstehen, um sich ein Glas Wasser zu holen, weil dafür ganz andere Fähigkeiten notwendig sind. Diesen Vorsprung wird das „Universal-Genie“ Mensch bis auf Weiteres behalten. In der Summe der „Teil-Intelligenzen“ wird er Maschinen auch in Zukunft überlegen sein. Gleichwohl muss er darauf achten, dass er in den Spezialdisziplinen die Kontrolle über die Algorithmen nicht an die Maschinen abtritt oder verliert.

Zweitens basiert gute Künstliche Intelligenz auf großen Datenmengen. Quantität ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Qualität überhaupt entstehen kann. Zudem müssen die Daten relevant für die Anwendung und valide sein. Anders lassen sich keine guten Anwendungen entwickeln.

KI-Anwendungen, die diesen Anforderungen genügen, gibt es bereits. Wer die Rechtschreibkorrektur in seinem Textverarbeitungsprogramm nutzt, macht täglich Gebrauch davon. Und so manches digitale Übersetzungsprogramm spart inzwischen den Dolmetscher. Beide Anwendungen basieren auf Algorithmen und Daten. Aber eben nicht auf den gleichen.

KI kann nicht alles. Und nicht alles ist KI

Die Geschwindigkeit, mit der neue Anwendungsfelder für KI erschlossen werden, ist atemberaubend. Ihre Bedeutung für die mittelständische Wirtschaft wächst im gleichen Tempo. Gleichzeitig wird es immer Nischen geben, in denen KI nicht zum Zuge kommt. Auch das gehört zum Verständnis der Materie. KI kann nicht alles. Und nicht alles ist KI. Nur wer sich bei diesem Thema um intellektuelle Schärfe bemüht, wird der Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft gerecht.

Obwohl: Vielleicht könnte der Bitkom ja mit gutem Beispiel vorangehen und seinen Präsidenten durch einen Chatbot ersetzen. Damit schüfe der Verband eine offene Bühne, auf der alle Welt beobachten könnte, was dabei herauskommt, wenn Künstliche Intellgenzien das Kommando übernehmen.

Es grüßt Sie herzlich

Frank Grünberg

Veröffentlicht am 07.03.2019