Der Drucker- und PC-Hersteller HP Inc. baut seinen Channel-Vertrieb auf Rekordniveau aus. Beim angekündigten Marsch ins mittelständische Dienstleistungsgeschäft kann der Weltkonzern nun eigentlich nur noch über die eigenen Beine stolpern. Es wäre nicht das erste Mal.
Der Verkauf Druckern gilt als schwieriges Geschäftsmodell. Die Margen sinken, der Markt schrumpft. Dennoch greift HP Inc. genau in diesem Marktsegment an und will gemeinsam mit Partnern das Dienstleistungsgeschäft im deutschen Mittelstand forcieren.
Die Übernahme des Druckergeschäftes von Samsung im Jahr 2016 war ein wichtiger Meilenstein in der aktuellen Service-Offensive. Damit holte sich HP eine eigene Laser-Technologie und mehr als 6.500 Patente ins Haus, die es ermöglichen, künftig auch A3-Multifunktionsgeräte (MFP) selber zu produzieren. In der Vergangenheit war HP Inc. auf die Zulieferung des Konkurrenten Canon angewiesen.
Breite Produktpalette, starke Marke
Heute ist kein anderer Anbieter produktseitig so breit aufgestellt wie HP Inc. Zum Portfolio zählen Laser-Drucker und MFP im A4- und A3-Format, Tintenstrahldrucker und –MFP sowie 3D-Drucker aus eigener Produktion. Hinzu kommen Netzwerk- und Sicherheitstechnologien, die das Unternehmen aus dem IT-Geschäft mitbringt – und nicht zuletzt die starke Marke. Ein wichtiges Verkaufsargument vor allem bei Geschäftskunden.
Doch das alleine hilft nicht, um in Deutschland zu wachsen. Denn das A3-Geschäft ist ein Dienstleistungsgeschäft. Die Maschinen werden hier meist über Service-Verträge bei den Kunden aufgestellt. Der HP-Direktvertrieb kann diese Services an Großkunden direkt vermitteln. Für den Mittelstand hingegen benötigt das Unternehmen kompetente Vertriebs- und Servicepartner.
Auch in dieser Hinsicht hilft die Samsung-Übernahme weiter. Der koreanische Konzern hatte in Deutschland einst einen starken B2B-Vertrieb installiert, um mit Hilfe dessen Erfahrung das Service-Geschäft für den gesamten Konzern zu erlernen. Die Strategie scheiterte, die Sparte wurde verkauft. Davon kann HP profitieren.
Luxus: Zwei Channel-Chefs für das Druckergeschäft
Die Berufung von Norbert Höpfner zum Leiter des neuen „Office Automation (OA) Team“ bildet den Zugewinn nun auch personell ab. Der ehemalige Samsung-Manager wird ab 1. Mai 2018 die Zielgruppe der Kopierer- und Büromaschinenpartner übernehmen.
Damit leistet sich HP den Luxus, gleich zwei Channel-Chefs für das Druckergeschäft in Deutschland zu bezahlen. Denn neben Höpfner wird sich weiterhin auch Jan Neumann um das Partner-Geschäft mit Druckern und Druckdienstleistungen kümmern – im Segment der IT-Systemhäuser. Hinzu kommt Stephen Rommel, der mit seinem Team das PC-Geschäft mit den Partnern in Deutschland betreut. Das Trio berichtet an Susanne Kummetz, die für das Partner- und Mittelstandsgeschäft in Deutschland zuständig ist.
Höpfner ist in der A3-Branche bestens bekannt. Die letzten sieben Jahre vertrieb er diese Maschinenklasse bei Samsung, zuvor war er bei Ricoh tätig. Das Geschäft mit Managed Services rund um das Thema Drucken kennt er aus dem Effeff.
Marktanteile: Viel Luft nach oben
Seine OA-Organisation ist geografisch aufgeteilt: Thomas Kellerhoff leitet die Region Nord, Markus Nebauer die Region Süd. Insgesamt betreut das Team rund 140 Kopierer- und Büromaschinen-Händler, die neben dem A4-Druckerportfolio von Samsung und HP auch das bestehende Samsung A3-Portfolio vertreiben und Endkunden mit Druckdienstleistungen bedienen. Zudem sind auch die HP Premier Partner enthalten, mit denen gemeinsam das komplette HP A3-Portfolio angeboten wird. Kunden dieser Partner sind vor allem kleine und mittelständische Unternehmen mit einer vor allem regionalen Prägung, sowie öffentliche Kunden.
Mit dieser Mannschaft ist HP im Partnergeschäft so breit aufgestellt wie nie zuvor. Ein Geschäftsmodell, das es vor wenigen Jahren noch nicht gab, ist nun gleich doppelt besetzt. Das unterstreicht die Ambitionen.
Gleichzeitig ist das Team zum Erfolg verdammt. Mit einem Marktanteil im A3-Bereich von aktuell rund sechs Prozent ist viel Luft nach oben. Und nur mit Marktanteil von weit mehr als 20 Prozent dürfte HP eigenen Ansprüchen gerecht werden. Zudem zeigt sich die Konkurrenz aktuell sehr schwach. Mitbewerber wie Ricoh, Konica Minolta und Xerox beschäftigen sich strategisch vor allem mit sich selbst. Ausreden gibt es für die HP-Verantwortlichen daher keine mehr.
HP und Mittelstand: Mangel an kultureller Kompatibilität
Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass HP mit viel Tamtam in einen Markt einsteigt - und das Abenteuer schnell wieder beendet. Die erste A3-Offensive zum Thema „Drucken und Dienstleistung“ währte lediglich zwei Jahre und scheiterte 2009 kläglich. Weder die Maschinen noch die Vertragsmodelle waren auf breiter Front verkäuflich.
Hinzu kommt: Für den Aufbau eines funktionierenden Service-Geschäftes braucht es personelle Kontinuitäten. Dafür ist HP bislang nicht bekannt. So wechselte ausgerechnet der Channel-Chef und Kummetz-Vorgänger Christian Mertens vor gut einem Jahr überraschenderweise zu SAP. Viele fragten sich damals, warum er seine eigene Zukunft nicht bei HP sah, wo er potenziellen Vertriebspartner genau diese doch so rosig ausmalte.
Schließlich fehlt es – daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern – an kultureller Kompatibilität. Auf der einen Seite der Welt-Konzern aus dem Silicon-Valles, der über große Margen und starre Standards gesteuert wird. Auf der anderen Seite die Digitalisierungs-Dienstleister aus dem deutschen Mittelstand, die vor allem vom verbindlichen Auftritt und hohen Flexibilitäten in Richtung Kunden leben.
In der Begegnung dieser Universen kann – das zeigt die Erfahrung - eine Reibungshitze entstehen, in der die Vorteile einer Zusammenarbeit mit HP schneller als Sternschnuppen verglühen. Es wird sich in den nächsten Monaten zeigen, ob HP die Betriebstemperatur für beide Seiten in angenehmen Regionen halten kann.
Veröffentlicht am 23.04.2018